
Zur Ausstellung von Armin Rohr
Die Städtische Galerie Neunkirchen gibt die Bühne frei für Armin Rohr (*1961). Er zeigt neue, rätselhafte Bildwelten in einer umfassenden Einzelausstellung mit dem Titel „Aller Vergeblichkeit zum Trotz singe ich weiter mein Lied. Über Anomalien, Zufälle und Wahrscheinlichkeiten.“ vom 14. März bis 18. Mai 2025.
Im Zentrum steht die menschliche Figur, die er in mehrdeutige oder schwer deutbare Beziehung zu ihrer Umgebung setzt. Zeichnerisch festgehalten und vielfach variiert in Skizzen erscheinen wie für Handyfotos posierende Figuren in skurrilen oder banalen Alltags-, Urlaubs- und Familienszenen. Auch in seiner neuen Porträt-Serie konterkariert er die Selfie-Kultur und die allgegenwärtige digitale Transformation des Bildes. Mit dem motivischen Repertoire aus TV-Krimis arbeitet der Künstler in der Werkgruppe „Wald-Orte“: Absperrbänder markieren einzelne Waldbereiche wie Tatorte, gesichtslose Figuren in Schutzanzügen durchforsten das Gelände und suchen nach Unbekanntem. Vereinzelte „Indizien“ in bunten Landschaftsszenerien deuten auf mysteriöse Zusammenhänge hin, Hintergründe aber bleiben im Dunkeln.
Das erzählerische Potential der Arbeiten von Armin Rohr erscheint unerschöpflich, doch sie sind weit entfernt vom Illustrativen. Denn die dort erzählten Geschichten entziehen sich letztlich dem Betrachter.
Quelle: Nicole Nix-Hauck, Ausstellungskatalog Städtische Galerie Neunkirchen
Mehr Informationen, den Podcast, ein Portät des Künstlers Armin Rohr und das gesamte Interview zum Nachlesen, findet ihr weiter unten.
Foto Credits:
– Bild 2 bis 29: Armin Rohr
– Bild 1 und 30: Verena Feldbausch
Künstlerportrait Armin Rohr
Armin Rohr, geboren 1961 in Hemsbach über Weinheim, lebt und arbeitet seit seiner Kindheit im Saarland. Seine künstlerische Ausbildung begann er mit einem Designstudium an der Fachhochschule des Saarlandes, das er 1988 mit dem Diplom als Designer abschloss. Anschließend studierte er von 1994 bis 1998 Freie Malerei an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBKsaar) und war dort Meisterschüler bei Prof. Bodo Baumgarten.
Seit 2003 unterrichtet Rohr als Lehrbeauftragter für Zeichnen an der HBKsaar. Sein Atelier befindet sich im Kulturzentrum am EuroBahnhof in Saarbrücken. Im Laufe seiner Karriere erhielt er mehrere Auszeichnungen, darunter das Förderstipendium der Landeshauptstadt Saarbrücken (1996), den Saar-Lor-Lux-Kunstpreis der Stadt Ottweiler (1997) und ein Arbeitsstipendium an der Cité Internationale des Arts in Paris (2002). Institut für aktuelle Kunst:
Armin Rohr ist ein zeitgenössischer Künstler, der in verschiedenen Kunstbereichen tätig ist, insbesondere in der Malerei und Bildhauerei. Geboren in Deutschland, hat er sich durch seine außergewöhnlichen Werke einen Namen gemacht, die oft eine Mischung aus Abstraktion und figürlicher Darstellung zeigen. Rohr ist für seine einzigartige Fähigkeit bekannt, mit Farben und Formen zu experimentieren und tiefere emotionale und philosophische Themen zu erforschen.
Künstlerischer Werdegang und Stil
Rohr hat sein Studium in den Bereichen Kunst und Design an renommierten Institutionen absolviert und sich dabei besonders auf abstrakte und expressionistische Kunstformen konzentriert. In seinen Arbeiten verarbeitet er oft gesellschaftliche, persönliche und politische Themen, wobei er sich nicht scheut, auch schwierige oder kontroverse Themen anzusprechen. Seine Werke zeichnen sich durch kraftvolle Farben, dynamische Kompositionen und eine starke emotionale Wirkung aus.
Ein wichtiger Aspekt von Rohrs Kunst ist seine Fähigkeit, mit verschiedenen Materialien und Techniken zu arbeiten, was ihn zu einem vielseitigen Künstler macht. Neben Gemälden und Skulpturen hat er auch Installationen und interaktive Kunstprojekte geschaffen, die den Betrachter einladen, in die Arbeit einzutauchen und eine persönliche Verbindung dazu aufzubauen.
Einflüsse und Inspirationen
Rohr wird oft von verschiedenen Strömungen der modernen Kunst beeinflusst, darunter der Expressionismus, insbesondere die deutschen Expressionisten, sowie das deutsche Informel, die ihn stark geprägt haben. Dabei orientiert er sich an klassischen Künstlern wie Edvard Munch, Paul Gauguin und Franz Marc, die zur klassischen Moderne gehören, aber auch an Meistern der Barockzeit wie Vermeer und Velázquez. Zudem inspiriert ihn die experimentelle Herangehensweise zeitgenössischer Künstler. Seine Werke spiegeln oft die Spannungen und Widersprüche der heutigen Gesellschaft wider und zeigen eine tiefe Auseinandersetzung mit Themen wie Identität, Freiheit und den menschlichen Zustand.
Ausstellungen und Anerkennung
Armin Rohr hat in verschiedenen Galerien und Museen sowohl in Deutschland als auch international ausgestellt. Seine Arbeiten haben immer wieder große Aufmerksamkeit erregt, sowohl bei Kunstkritikern als auch bei Kunstsammlern. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit engagiert er sich auch in der Förderung der Kunstszene und unterstützt junge, aufstrebende Künstler.
Rohrs Werke wurden in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, sowohl im öffentlichen Raum als auch in Galerien und Museen. Ein aktuelles Beispiel ist seine Einzelausstellung “Aller Vergeblichkeit zum Trotz singe ich weiter mein Lied. Über Anomalien, Zufälle & Wahrscheinlichkeiten”, die vom 14. März bis zum 18. Mai 2025 in der Städtischen Galerie Neunkirchen im KULT.Kulturzentrum stattfindet.
Fazit
Armin Rohr ist ein Künstler, dessen Werke durch ihre emotionale Tiefe und experimentelle Herangehensweise an Technik und Material bestechen. Durch die Verbindung von Abstraktion und figürlicher Darstellung fordert er den Betrachter heraus und eröffnet neue Perspektiven auf die Welt. Seine Arbeiten sind ein faszinierendes Spiel aus Form, Farbe und Bedeutung, das stets zu neuen Interpretationen einlädt.
Weitergehende Informationen:
– Website von Armin Rohr: https://art.arminrohr.de
– Armin Rohr auf Instagram: https://www.instagram.com/armin.rohr/
– Hochschule der bildenden Künste Saar (HBKsaar): https://www.hbksaar.de/personen/details/rohr
– Institut für aktuelle Kunst: https://institut-aktuelle-kunst.de/kuenstlerlexikon/rohr-armin
Das gesamte Interview mit Armin Rohr zum Nachlesen
Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux. Wir treffen KuratorInnen und KünstlerInnen dort, wo sie gerade ausstellen. Mit uns entdeckt ihr zeitgenössische Kunst und außergewöhnliche Kunsträume in unserer Region. Werdet Teil von Galeriegesprächen, Ausstellungseröffnungen und Finissagen. art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt.
Verena Feldbausch: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von art talk, unser Kunst-Podcast für SaarLorLux. Heute sind wir in der Städtischen Galerie Neunkirchen in der Ausstellung von Armin Rohr mit dem Titel “Aller Vergeblichkeit zum Trotz singe ich weiter mein Lied über Anomalien, Zufälle und Wahrscheinlichkeiten”. Zu sehen sind großformatige Gemälde sowie Zeichnungen und Aquarelle, die seit 2019 entstanden sind.
Die Fotos der besprochenen Werke sind wie immer auf meinem Blog zu sehen. Ihr könnt unseren Podcast auf dem Podcatcher eurer Wahl hören und auch hier vor Ort in Neunkirchen in der Städtischen Galerie, denn es gibt einen QR-Code, über den ihr direkt auf das Gespräch mit Armin Rohr Zugriff habt. Diese Folge von art talk wurde gefördert vom Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes. Herzlichen Dank dafür.
Ich freue mich jetzt sehr auf die exklusive Führung durch den Künstler Armin Rohr persönlich und wünsche euch viel Spaß beim Zuhören. Eure Verena Feldbausch.
Hallo Armin und herzlich willkommen zu art talk. Zuerst möchte ich dich kurz vorstellen oder auf deine Vita eingehen. Also du bist geboren in Hemsbach, das ist in der Nähe von Mannheim. Du hast von 1983 bis 1988 Design studiert, wobei du die Grundlehre bei Professor Oskar Holweck absolviert hast.
Dann hast du dein Fachstudium in Design bei Professor Diethard Adt, Heinrich Popp und Robert Sessler gemacht. Und schließlich 1994 bis 1998 hast du bei Professor Bodo Baumgarten Malerei studiert. Und bist dann auch 1998 zum Meisterschüler ernannt worden bei Bodo Baumgarten. Du lebst und arbeitest in Saarbrücken.
Was hast du zwischen 1988 und 1994 gemacht und was hat dich damals, also in den frühen 90er Jahren bewogen, den Weg des Künstlers einzuschlagen?
Armin Rohr über seinen Werdegang
Armin Rohr: Ja, grundsätzlich war es so, dass ich während dieses Grafikdesignstudiums in der Fachhochschule schon gemerkt habe, dass das eigentlich überhaupt nicht mein Weg ist. Ich habe während des Studiums zwar schon als Grafiker gearbeitet, hatte eigene Kunden mit einem Freund zusammen und war aber dann relativ schnell, also ich war mir relativ schnell sicher, dass das nicht mein Lebensweg ist, beziehungsweise dass ich das nicht bis ans Ende meiner Tage machen möchte.
Weil ich einfach in der Zeichnung bzw. auch in der Malerei für mich viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten gefüllt und gesehen habe. Beziehungsweise, wenn ich als Grafiker arbeite, bin ich Dienstleister. Das heißt, es kommt jemand zu mir, hat ein bestimmtes Anliegen und ich muss versuchen, in Gesprächen mit dem Kunden auf die Wünsche einzugehen und dann irgendwas zu machen, was ich normalerweise gar nicht machen würde.
Es war eine kreative Geschichte, aber letztendlich habe ich mich einfach eher in dieser freien Kunst gesehen, freie Malereien, freie Zeichnung, was ich damals auch schon sehr viel gemacht habe. Ich bin nach Stuttgart gegangen, weil ich eigentlich an der Akademie Kunst studieren wollte, an der Stuttgarter, beziehungsweise auch in Karlsruhe.
Hürden auf dem Weg zur Kunst
Ich habe mich also an unterschiedlichen Akademien nach dem ersten Studium beworben und wurde zwei, drei, vier Mal abgelehnt. Die Begründung war, wir brauchen hier junge, formbare Menschen. Sie haben ja schon ein Diplom, machen Sie doch Ihr Ding und die Zeichnungen sind ja okay, was brauchen Sie noch, ein Kunststudium.
Und dann habe ich ein paar Jahre in Stuttgart erst einmal als freier Grafiker gearbeitet, um Geld zu verdienen. Aber auf der anderen Seite habe ich versucht, Kontakte zu kriegen zu Künstlern, Künstlerinnen. Ich habe versucht auszustellen, was mir dann auch gelungen ist in kleineren Zusammenhängen.
Im Kunstverein Ludwigsburg, da war ich auch Mitglied, habe dann zwei, dreimal eine Mitgliederausstellung mitgemacht und bin dann wieder umgezogen nach Saarbrücken, um in Saarbrücken dann irgendwann 1994 wieder beim Kunststudium anzufangen. Da hat es dann geklappt.
Verena Feldbausch: Ja, okay, das ist ja schön. Also ich meine, deshalb bist du nach Saarbrücken zurückgekehrt. Genau.
Die Städtische Galerie Neunkirchen zeigt eine umfassende Werkschau deiner neuen Arbeiten, die seit 2019 entstanden sind, sowohl Gemälde als auch Zeichnungen und Aquarelle. Bevor wir jetzt zu den einzelnen Positionen kommen, würde ich ganz gerne nochmal erfahren, was es mit dem Titel der Aufstellung auf sich hat.
Also der Titel heißt ja, aller Vergeblichkeit zum Trotz singe ich weiter mein Lied. Was meinst du damit?
Armin Rohr: Ich habe ja in den letzten Jahren öfter mal kleinere Aufstellungen gemacht, auch außerhalb des Saarlandes. Und irgendwann hat sich das so eingependelt mit den Titeln, dass sie immer was mit mir zu tun hatten, mit meiner Befindlichkeit, mit dem ich mich so gerade als Maler zur aktuellen gesellschaftlichen oder politischen Situation verhalte.
Manchmal waren es auch wirklich eher so biografische Geschichten. Und das hat sich einfach im Laufe der Zeit so eingependelt. Ganz zu Anfang, als ich noch studiert habe, da waren die Titel einfach, was weiß ich, Malerei und Zeichnung. Und das macht man ja eigentlich alles gar nicht mehr.
Und da ich gelegentlich auch immer mal wieder Texte schreibe oder auch kleinere Bemerkungen auf meiner Webseite, die viel mit dem zu tun haben, wie ich denke, wie ich über Malerei oder Zeichnung denke oder überhaupt über die große weite Welt, hat sich das dann irgendwann mal so ergeben. Und auch über diesen Titel jetzt in Neunkirchen habe ich lange nachgedacht.
Und jetzt ist halt die Situation in unserer Welt oder in der Gesellschaft momentan so, wie sie eben ist. Wir kennen das ja alles, ob das jetzt anfängt bei Umweltproblemen oder auch die politische Situation, der Krieg in der Ukraine. Das heißt, das sind viele Dinge, mit denen ich mich auseinandersetze, die mich natürlich auch irgendwo prägen oder beeinflussen, ohne dass es jetzt direkt in meine Malerei einfließt, beziehungsweise ich will mich damit auch malerisch nicht direkt auseinandersetzen.
Ich bin kein politischer Künstler in dem Sinne. Aber trotzdem macht das ja irgendwas mit mir als Mensch und Maler oder Zeichner. Und aller Vergeblichkeit zum Trotz, es gab ungefähr 50 Variationen mit unterschiedlichen Wörtern, Zusammenstellungen.
Die Bedeutung des Titels
Aller Vergeblichkeit zum Trotz ist auch die Frage, warum machst du das überhaupt noch in dieser Zeit? Warum malst du? Warum gehst du jeden Tag ins Atelier, fängst immer wieder an? Aber irgendwas treibt mich an. Das ist ja fast eine Obsession. Und deswegen zum Trotz und dann auch die Geschichte mit Anomalien, Zufällen und Wahrscheinlichkeiten.
Das ist natürlich auch so, was wir versuchen als Menschen permanent, unser Leben zu takten, zu strukturieren. Und es darf nichts dazwischen kommen. Und wir machen täglich die Erfahrung, egal wie das Leben getaktet ist, egal in welchen Berufen wir arbeiten, es kommt immer irgendetwas, was dir den Tag auseinander haut, was dir eine Arbeit irgendwo, was dir die Arbeit unterbricht.
Du kannst dich nicht hundertprozentig immer auf das konzentrieren, was du gerne hättest, weil es rappelt ein Telefon, es passiert irgendwas. Das ist die Anomalie, mit der wir zu kämpfen haben. Vor drei, vier, fünf Jahren war es eben normal, dass wir mit Frieden leben und plötzlich ist der Krieg, was eine Anomalie war, für uns täglich.
Also es umgeht uns täglich. Das heißt also, wir haben täglich mit Anomalien zu tun. Und Zufälle ist einmal das, was ich als Künstler natürlich immer wieder in meinen Arbeiten mit einbeziehe. Das geht los bei Aquarellen, wo vieles passiert, was nicht steuerbar ist. Und ich arbeite unheimlich gern mit dem Zufall.
Und auch in meiner Malerei ist es oft so, dass ich zwar eine Vorstellung habe von einem Bild, aber während der Malerei entwickelt sich dann etwas über einen Gedanken oder über irgendwas, was ich gelesen habe an diesem Tag, was mich dazu bewegt, in dem Bild etwas einzusetzen, was ich vielleicht zehn Minuten vorher noch gar nicht gewusst habe. So viel zum Zufall.
Und das schließt natürlich auch die Frage der Wahrscheinlichkeit ein. Insofern hat das alles… der lange Rede kurzer Sinn. Nee, es ist ja nicht kurz, der Titel ist wirklich lang.
Verena Feldbausch: Genau, auch vielen Dank, weil das ist sehr, sehr erhellend jetzt gewesen für mich. Dieses eine Zitat von dir habe ich auch in dem Katalog gelesen, der jetzt hier zu deiner Ausstellung rausgekommen ist, über den Zufall.
“Zufall spielt eine große Rolle, hat er mir doch die schönsten und erstaunlichsten Blätter von leichter Hand dahin gezaubert.” Das fand ich sehr schön. “Ich verdanke ihm sehr viel.”
Armin Rohr: Ja gut, es gibt ja auch Kollegen, die den Zufall möglichst versuchen auszuschließen, wo man wirklich sieht, dass da sehr planvoll vorgegangen, also in der Arbeit vorgegangen wird. Und das hat eigentlich nie mir entsprochen.
Ich war eher sehr… das war der andere Ausstellungstitel vor zwei, drei Jahren in Burbach, “Ich meändere durch die Welt”. Das hat einerseits was mit mir zu tun, wie ich die Welt wahrnehme, in der Welt spazieren gehe, andererseits aber auch was mit meiner Arbeit zu tun, wo ich auch sehr verschlungene Wege gehe und auch sehr unterschiedliche Ansätze in der Arbeit verfolge.
Verena Feldbausch: Ja, okay, gut. Du zeigst sowohl großformatige Gemälde, das Format ist meistens 1,50 mal 2 Meter, in Acryl und Öl auf Leinwand, aber auch Zeichnungen und Aquarelle in kleinerem Format.
Wenn wir in die Ausstellung kommen, dann stehen wir eigentlich direkt vor diesen großformatigen Arbeiten und die sind teils mit Figuren, aber auch teils mit Gegenständen bestückt. Das sind die sogenannten Wald-Orte. Fast alle deine Bilder heißen, glaube ich, ohne Titel.
Ich möchte jetzt direkt zu dem ersten Bild kommen, das man sieht, wenn man in die Ausstellung kommt. Das erste große Bild, das heißt “ohne Titel” in Klammern “das letzte Bild” und ist 2025 entstanden. Warum nennst du das alles ohne Titel?
Titelphilosophie
Armin Rohr: Das ergab sich irgendwann mal vor langer, langer Zeit, als ich noch phasenweise ungegenständlich gearbeitet habe. Und ich von Bild zu Bild sehr lange und viele Arbeiten gemalt und gezeichnet habe und zunächst mal mir gar keine Gedanken darüber gemacht habe, was könnte ich jetzt überhaupt diesen Arbeiten für oder diesen Serien für übergeordnete Themen, Bildüberschriften oder Bildunterschriften geben.
Und dann habe ich auch gemerkt, dass jetzt gerade in dieser Phase der Titel nicht unbedingt viel bringt, weil ja jeder in so ungegenständlichen Arbeiten sieht, was er sehen will. Aber es gab dann doch Titel, wo ich gemerkt habe, es gibt Arbeiten, da zieht sich entweder eine bestimmte Farbe durch oder eine bestimmte Struktur.
Oder ich habe dann an einem bestimmten Tag in der Zeitung oder in einem Buch irgendwas gelesen, was mich durchaus irgendwo, wo ich eine Assoziation hatte zu einem der gemalten und gegenständlichen Bilder. Und dann fing ich an, den Titel in Klammern zu setzen, weil ich das Gefühl hatte, wenn jetzt irgendwann jemand in 100 Jahren so ein Bild sieht, muss ja nicht unbedingt der Titel dabei stehen.
Der Titel ist hilfreich oder auch mal ein Kontrast zu dem Bild, aber nicht unbedingt wesentlich mit dem Bild verbunden in dieser abstrakten Zeit, in dieser ungegenständlichen Zeit. Aber das hat sich dann auch in diesen gegenständlichen, figürlichen Arbeiten so fortgesetzt.
Es gibt durchaus Ausstellungen, wo ich für Bilder, die ich schon mal gezeigt habe, für ein Bild, was ich in der Vergangenheit gezeigt habe, in einer anderen Ausstellung, je nachdem, wie das übergeordnete Thema ist, dann doch nochmal einen anderen Titel finde, der mir besser gefällt. Also die Klammer sagt eigentlich für mich aus, es ist nicht unbedingt verbindlich, dieser Titel gemeint. Er kann sich ändern, je nach Zusammenhang.
Verena Feldbausch: Okay, dann habe ich das verstanden. Gut. Wir sehen jetzt hier dieses erste Bild an. Also wir sehen fast ein Idyll, auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Idyll, aber irgendwie ist es doch kein Idyll.
Also du siehst diesen Maler, der da zurückgelehnt sitzt, ist er erschöpft oder ruht er sich nur aus und dann siehst du vor ihm halt diese Palette und diese Farbtuben. Im Hintergrund der bedrohlich brennende Wald.
Bist du das, der da sitzt oder wie geht es dir nach diesem sehr intensiven Schaffensprozess, auch nach dieser sehr intensiven Schaffensphase? Fühlst du dich da so erschöpft?
Armin Rohr: Das Bild hat jetzt nichts zu tun mit diesem langen Prozess, der hat ja fast ein Jahr intensives Arbeiten gebraucht, um diese Ausstellung dann, zumindest mal in den großen Arbeiten, um die dann fertig zu kriegen. Aber letztendlich sind es gerade jetzt die neuen Arbeiten, die großen Leinwandarbeiten, sind für mich eher so visuelle Metaphern.
Das heißt auch die Reihe, wie man so sagt, Tatortbilder oder was da in den Bildern passiert, ob das jetzt Gegenstände sind, die zu sehen sind, ob der Wald, es werden da Dinge angesprochen, die eigentlich auf einer Metaebene funktionieren, sodass die Bilder wirklich eher als Metapher zu sehen sind.
Und so ist es auch in diesem Bild. Zunächst mal war es so, dass ich in einem der ersten Bilder einen blutroten Himmel gemalt habe. Und das hat mich dann persönlich sofort zunächst auch an Brennen, Feuer, Waldbrände erinnert. Und das erste Bild ist ungefähr vor einem Jahr entstanden. Und dann dachte ich, damit kann ich wahrscheinlich in einem der nächsten Bilder noch arbeiten.
Und es hat dann wirklich sehr, sehr lange gedauert, bis ich zu dem Bild kam, wo ich dann auch das Thema Feuer und Wald umsetzte. Aber wie gesagt, wirklich eher als Metapher. Jetzt nicht als der brennende Wald, sondern wirklich eher als Zustand, als innere Befindlichkeit oder auch als Sinnbild für das, was jetzt im Moment überhaupt mich bewegt und was passiert. Insofern, ja, so viel zum Einstieg.
Und auch in diesem Bild war eigentlich, wie überhaupt in den großen Bildern, überhaupt noch nicht klar, welche Gegenstände ins Bild kommen, beziehungsweise ob da überhaupt eine Person hinkommt. Zunächst war einfach mal diese Wald-Szenerie mit Feuer so ein bisschen angedacht, auch in der Untermalung.
Und dann kam ich halt irgendwo auf die Person, die da sitzt. Das ist noch nicht mal, als Ausgangsbasis, das bin noch nicht mal ich, aber es könnte ich sein. Und auch die Leinwand, die dann dazugekommen ist, das sind Dinge, die haben sich wirklich so in diesem malerischen Prozess der Untermalung so ergeben.
Und plötzlich hatte das Bild für mich so eine Erzählung, so eine Geschichte, die stimmig war, die natürlich dann im Rückblick vielleicht auch was mit der Ausstellung, der Vorbereitung zu tun hat. Aber ich lasse es, also gerade bei dem Bild ist es so, da wurde ich ganz, ganz oft gefragt, jetzt auch in der Eröffnung oder im Vorfeld, was da wirklich dahintersteckt, wer das ist.
Armin Rohr über die Offenheit seiner Werke
Ist dieser Mensch tot oder ist er einfach nur erschöpft und, und, und. Ich glaube, bei dem Bild möchte ich gar nichts erzählen, weil ich habe das Gefühl, dass da viele ihre eigene Geschichte dazu sehen. Und ich fand es auch interessant zu hören von vielen Besuchern und Besucherinnen während der Eröffnung, was tatsächlich an Ideen für dieses Bild den Leuten durch den Kopf geschossen ist, auf Sachen, die ich noch nicht gekommen bin.
Insofern ist das eigentlich ein Bild, wo ich am wenigsten erklären möchte. Für mich ist es auch nicht eindeutig.
Verena Feldbausch: Das ist es ja mit Sicherheit nicht. Aber dieser Waldbrand hier, den würde ich auch als Naturkatastrophe interpretieren.
Armin Rohr: Ja, ich meine auch die Geschichte mit der Erschöpfung. Letztendlich sitzt da jemand in der Landschaft, es ist eine weiße Leinwand, im Hintergrund brennt es. Die natürlichste Reaktion wäre, dass man aufsteht und flüchtet. Aber eben. Da gibt es so viele Möglichkeiten, in dieses Bild einzusteigen, auch über die Farbigkeit jetzt im Hintergrund.
Verena Feldbausch: Da sollte jeder sich seine eigene Geschichte ausdenken.
Armin Rohr: Grundsätzlich erwarte ich ja von den Menschen, die in meine Ausstellung gehen, schon auch, beziehungsweise so wie ich es auch mache, wenn ich in eine Ausstellung gehe und mir Malerei betrachte, versuche ich auch nicht zu fragen, was will der Künstler mir damit sagen, sondern ich frage zunächst mal, was passiert mit dem Bild, was passiert da?
Wie ist das Bild gemalt? Was will das Bild eigentlich erzählen? Ich untersuche es nach den Gegenständen oder nach der Art und Weise, wie es komponiert ist, wie ist die Farbe eingesetzt, was gibt es für Strukturen. Und ich denke, dann kann man als Betrachter auch versuchen, möglichst viel eigenständig da sich versuchen, was zu erarbeiten. Finde ich viel spannender.
Verena Feldbausch: Das stimmt, das ist auch sehr reizvoll auf jeden Fall. Diese großformatigen Gemälde sind zwischen 24 und 25 entstanden. Und sie enthalten ja Gegenstände und Figuren.
Und zum Beispiel ist da hinten ein zurückgelassener Campingstuhl, ein Hochsitz, ein kaputtes Auto, ein Teddybär ist, ein Turnschuh und auch diese rot-weißen Absperrbänder, die jetzt auch hier auf dem Boden in der Galerie liegen.
Ich habe gelesen in dem Katalog, die Vorlagen kommen von Fotos und Videostills aus einschlägigen Filmen. Welche Filme sind das und welche Bedeutung haben diese Gegenstände? Oder ist es auch wiederum so, dass sich da jeder seine Geschichte denken soll?
Die Inspiration
Armin Rohr: Zunächst mal zum Ursprung der Fotos bzw. woher kommt das? Zum einen ist es so, dass ich schon sehr lange über diese Bilder nachgedacht habe. Das heißt, ich habe immer mal wieder, während ich irgendwelche Krimis geguckt habe im Fernsehen bzw. übers Netz gestreamt, den Film angehalten und ein Foto gemacht. Ich dachte, da kann man irgendwann mal was draus machen.
Weil ich noch nicht genau wusste, was das ist. Mir hat einfach der Einstieg gefehlt. Es war einfach nur der Gedanke, in Zukunft werde ich mal irgendwas machen. Und als dann klar war, dass hier die Ausstellung 2025 im März eröffnet wird, vor einem Jahr, haben wir das irgendwo so ein bisschen abgesprochen, dachte ich, jetzt ist vielleicht die Gelegenheit, mit diesen Fotos was zu machen.
Und es hat sich dann auch sehr schnell schon im ersten Bild herausgestellt, dass ich nicht ein Foto nehme und das umsetze, sondern dass ich diese Szenerien, diese Menschen in diesen weißen Anzügen, wie man es halt vom Krimi kennt, dieses typische Klischee halt eben. Und das fängt ja in vielen Krimis so an, dass man einen Tatort sieht und Leute stochern irgendwo rum, suchen etwas.
Das war so die Ausgangslage. Und ich habe diese Bilder eigentlich nur als Ideen-Anlass genommen, um daraus Bilder zu komponieren. Das heißt, es gibt vielleicht ein oder zwei Bilder, wo ich mehr oder weniger am Bild, am Foto dran war. Aber die meisten sind letztendlich, genau wie das letzte Bild, aus dem Kopf komponiert.
Das heißt, die Wälder, so wie man sie sieht, die Landschaften existieren als Foto nicht. Ich habe dann mehrere Vorlagen, wo ich dann geguckt habe, wie, was für Bäume setze ich da rein, wie gehe ich mit den Strukturen um. Das mal so viel zu den Szenen.
Und auch die Menschen, es gibt da hinten so ein Hochformat, da stehen, was weiß ich, 9-10 Menschen in der Landschaft rum. Das sind die meisten aus dem Kopf gemalt. Das geht dann relativ schnell und ruckzuck. Das Wichtige ist, dass es einigermaßen von der Perspektive stimmt.
Das ging dann, weil ich einfach früher viel Aktzeichnen gemacht habe, hat man so ein bestimmtes Formenrepertoire im Kopf und Menschen in Anzügen, die sowieso ein bisschen unförmig aussehen. Das ist relativ einfach. Und für bestimmte andere Situationen hatte ich dann auch Menschen, die sich bücken oder irgendwas machen, wie ich dann irgendwo in meine Landschaften gesetzt habe.
Und so ging es dann auch weiter mit diesen Gegenständen, die dann manchmal am Schluss noch dazugekommen sind, bevor ich eigentlich, also am Anfang wusste ich noch gar nicht, wie sich das Bild entwickelt. Ich entscheide vieles in diesen Bildern sehr, sehr intuitiv.
Verena Feldbausch: Also du machst dir jetzt keine Skizze zum Beispiel oder machst du dir Skizzen vorher und überlegst, aha, da kommt jetzt der Baum hin?
Armin Rohr: Es gibt ein Bild, wo ich tatsächlich eine Skizze gemacht habe, aber eher als Gedankenstütze, dass ich es nicht vergesse, mit diesem Bild anzufangen. Weil man hat so viel im Kopf und vergisst das dann wieder.
Und gerade bei dem letzten Bild, was 2025 entstanden ist, das Bild mit den Menschen und den Kisten, da dachte ich, das musst du dir aufheben, den Gedanken musst du notieren, als kleine Skizze im Skizzenbuch, sonst ist der am nächsten Tag weg. Das passiert nämlich relativ oft. Aber normalerweise ist es dann so, dass ich bei den Bildern wirklich ohne Skizze rangehe.
Das heißt, ich fange mit einer Acryl-Untermalung an und setze irgendwo zwei, drei Bäume, beispielsweise in eine Landschaft, überlege mir, ob der Horizont eher tief ist oder hoch. Und im Laufe der Malerei könnte es passieren, dass der vordere Baum zu groß ist, also muss er weiter weg und kleiner werden.
Da schiebe ich dann eine Zeit lang hin und her, bis ich dann sicher bin. Und dann fange ich mit Öl an, das Ganze weiterzuarbeiten. Im Gegensatz zu vielen anderen Bildern, die hier tatsächlich auch nach Fotos entstanden sind. Nicht eins zu eins, aber das sind so verschiedene Fäden, die ich bearbeite und verschiedene Methoden, wie ich Bilder finde. Das war schon immer so.
Verena Feldbausch: Ist dann also das Acryl quasi die Grundierung für die Ölmalerei, rein technisch gesehen jetzt?
Armin Rohr: Technisch ist es eigentlich so, früher gab es Untermalungen im Eitempera. Das habe ich eine Zeit lang gemacht, während ich studiert habe. Aber man hat halt immer das Problem, wenn das Bild in einem bestimmten Zustand ist, muss man ja warten, bis es trocknet.
Eitempera geht ein bisschen schneller, gerade wenn es jetzt nicht die fette Tempera ist, sondern eher die mit Wasser. Und dann kam ich irgendwann mal auf die Idee, das Ganze mit Acryl zu versuchen, weil man natürlich wahnsinnig schnelle Trocknungszeiten hat. Und je nachdem, was ich male, kann ich dann innerhalb von einem Tag zehn unterschiedliche, jetzt in der Größe der Leinwände, im Grunde zehn unterschiedliche Bilder malen. Ich kann probieren, ist es besser, den Himmel grün zu machen, den Himmel rot, eine Figur kleiner oder größer.
Und das kommt mir eigentlich sehr zugegen, weil ich eben sehr spontan arbeite. Und das heißt, diese Acrylbilder sind letztendlich nichts wie eine klassische Untermalung, auch hell-dunkel. Wo setze ich die Akzente, das ist mir dann wichtig, bevor ich dann wirklich mit Öl anfange.
Hat auch was mit Geschwindigkeit zu tun. Acryl geht wahnsinnig schnell, da spritzt die Farbe, die läuft runter, die Farbe ist sehr dünn. Und bei Öl wird das Ganze so ein bisschen verlangsamt und dann komme ich auch so in einen anderen Flow, in einen anderen Modus.
Verena Feldbausch: Wo hast du diese großen Bilder gemalt? Also ich meine, du hast ein Atelier in Kuba, hast du die dort gemeint?
Armin Rohr: Ja.
Verena Feldbausch: Ah ja, okay.
Armin Rohr: Das Atelier ist nicht groß, aber es reicht. Die Bilder müssen ja letztendlich nur durch die Tür passen.
Verena Feldbausch: Das stimmt, das stimmt. Aber kannst du dann also an mehr als an einem Bild arbeiten?
Armin Rohr: Das schon. Ja, ja, ich muss dann immer mal wieder ein bisschen umbauen. Aber es geht, es funktioniert.
Verena Feldbausch: Okay, okay, gut. Ja, dann kommen wir eigentlich schon zu der zweiten Gruppe der Bilder. Also nach den Wald-Orten hast du ja jetzt hier Porträts ausgestellt.
Die sind eigentlich jetzt, wenn man reinkommt, direkt auf der rechten Seite. Es sind so klassische Großporträts und eigentlich sind sie auch keine Porträts, denn man kann ja nicht eindeutig identifizieren, wer da drauf ist.
Mit der Ausnahme von dem Selfie, das da am Eingang ist, da erkennt man dich ja schon wieder. Warum kann und soll man sie nicht erkennen? Da sind ja auch wieder die “ohne Titel” und in Klammern ist ja manchmal ein Name oder ein Hinweis drauf.
Armin Rohr: Ja, das ist richtig.
Verena Feldbausch: Was ist die Idee dahinter?
Armin Rohr: Das ist eine gute Frage. Also Porträts habe ich ja schon immer gemacht. Auch während des Studiums gab es eine Porträtserie, die aus Selbstporträts entstanden ist.
Und vor dem Spiegel sind die entstanden, die teilweise durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit den Sachen haben, die jetzt im Moment da hinten an der Wand hängen. Aber wie gesagt, die sind vor dem Spiegel entstanden, auch in einer anderen Größe.
Und waren irgendwo so eine Art Auflösung der Figur, des Portraits, weil ich dann über diese Auflösung nach und nach auch eine Zeit lang zu diesen ungegenständlichen Arbeiten kam. Und dann sind wir auch wieder beim Thema Portraits, wie gesagt, mache ich eigentlich immer schon, auch in Zeiten, wo ich figürlich gemalt habe.
Sei es, dass ich Leute direkt abzeichne, wenn ich irgendwo sitze, in der Kneipe oder wo, um einfach in meinen Skizzenbüchern etwas festzuhalten. Oder wo ich Fotovorlagen habe und dann tatsächlich Fotos in Malerei oder Zeichnung umsetze.
Aber der Unterschied zu den Sachen, die ich früher in der Hochschule gemacht habe, die Portraits bzw. die Fotos, die dienen als Ausgangsbasis. Das ist einfach so ein Kick, um überhaupt was zu malen. Sie dienen nicht dazu, die Menschen eins zu eins wiederzugeben.
Das ist mir auch irgendwann wurscht, wie diese Menschen später aussehen. Es soll sich niemand persönlich da in diesen Bildern finden. Also niemand, dessen Foto ich benutzt habe, ist da angesprochen direkt. Es ist einfach ein Weg, um ein Bild zu malen. So, das ist das eine.
Armin Rohr über persönliche Einflüsse
Armin Rohr: Es gab, bevor die Ausstellung hier geplant wurde, habe ich an einem Porträt meine Mutter gemalt, die seit drei Jahren dement ist. Und dieses Bild war relativ, in Anführungsstrichen sage ich jetzt mal, realistisch.
Das heißt, meine Mutter war in den wesentlichen Gesichtszügen erkennbar dargestellt, hat aber für mich plötzlich nicht mehr funktioniert, weil ich mir überlegt habe, dass von Woche zu Woche mittlerweile der Zustand fortschreitet relativ schnell. Sie baut unheimlich ab. Das heißt, die Persönlichkeit verschwindet.
Und dann war ich wieder in diesem Thema, was ich auch in der Hochschule hatte, dieses Auflösen. So eine Persönlichkeit löst sich auf. Sie ist einfach immer weniger da, weil sie sich nicht mehr erinnern kann.
Und im Laufe dieses Malprozesses habe ich aus diesem realistischen Bild immer mehr die wesentlichen Gesichtszüge übermalt, sodass dann dieses Bild entstanden ist, wo letztendlich nichts mehr Menschliches in diesem Bild zu sehen ist. Aber plötzlich war das deckungsgleich mit dem, was ich jetzt empfunden habe, wenn ich an meine Mutter denke.
Und das war so ein bisschen Ausgangsbild für die kommenden, die immer zwischendurch entstanden sind. Auch da ist der Gedanke ja schon so, ich hatte als Ausgangsbasis in der Malerei, in der Untermalung immer wieder erkennbare, ähnliche Bilder.
Das heißt, die Leute haben sich erkannt. Ich habe einmal meine Tochter da hinten gemalt und da kam meine Frau, als die Acryl-Untermalungen fertig waren, sagte, oh lass das, das ist ja ganz toll. Aber ich konnte es ja nicht so lassen, weil es hat einfach nicht dem entsprochen, was ich…
Davon abgesehen ist es auch so, dass viele Bilder, die ich benutze, auch das von meiner Mutter, aufgrund von Schnappschüssen entsteht, die ich mache oder die mir irgendwie im Netz auffallen. Das heißt, das sind jetzt keine klassischen Porträtfotografien, sondern es sind einfach Schnappschüsse, wo wesentliche Bestandteile eines Porträts eines Menschen ja sowieso fehlen.
Es fehlt die Sprache, es fehlt die Bewegung und für mich ist so ein Foto sehr unzulänglich. Kann ich die Persönlichkeit eines Menschen anhand eines Fotos darstellen. Ich brauche da noch irgendwas anderes.
Und dann über die Auflösung, über die Malerei, habe ich auch das Gefühl gehabt, bin ich von einem persönlichen Bild zu einem allgemeinen Bild gekommen, wo sich vielleicht sogar mehr Leute mit identifizieren als mit einem klassischen Bild, wo jemand fragt, wer ist denn das, das ist der sowieso, ach so.
Und das ist plötzlich eine ganz andere Auseinandersetzung. Und ich hatte auch das Gefühl, ich komme da eher in so eine dunkle Seite. Dr. Jekyll und Mr. Hyde, äh, Jekyll und Hyde Geschichte, was ja in allen von uns irgendwo steckt.
Und das hat mich immer mehr interessiert, diese dunkle Seite. So ist es auch bei Filmen, bei Büchern. Grundsätzlich interessiert mich eher so diese dunkle Seite, die in uns allen irgendwie steckt, auch in der Malerei.
Verena Feldbausch: Und trotzdem benutzt du ja wirklich ganz grelle und helle und eigentlich fröhliche Farben. Also ich finde sie jetzt nicht irgendwie dunkel.
Also ich finde, es ist ja eine wahnsinnige, explosive Farbigkeit in deinen Bildern. Und hat die sich jetzt nochmal gesteigert in den letzten Jahren? Ich habe jetzt mehr Aquarelle oder Papierarbeiten im Kopf.
Die sind ja auch eigentlich nicht ganz so grellfarbig. Aber hier diese großformatigen Bilder und auch die Porträts finde ich schon sehr bunt.
Armin Rohr: Ja, ich glaube, gesteigert hat sich nicht. Es gab auch mal Phasen, wo ich dann eher sehr reduziert gearbeitet habe, so vor 15 Jahren. So eine Phase, wo ich wirklich fast weiße Gesichter gemalt habe.
Nur eine Farbe, meistens rot oder blau, irgendwo so ein bisschen dezent noch zu sehen war. Aber im Großen und Ganzen hat mich diese Farbigkeit immer schon interessiert, auch in der Akademie.
Und jetzt gerade was diese Themen betrifft, die jetzt hier in der Ausstellung angesprochen werden, ist es natürlich auch so ein bisschen ein Komplementärkontrast. Auf der einen Seite hat man diese Düsternis, die in den Bildern thematisch teils auch drinsteckt, was die Leute auch spüren, wo sie mich darauf angesprochen haben.
Aber andererseits hat man diese Farben, die gerade was die Landschaften betrifft, dann zunächst mal eher so etwas Idyllisches haben, auch irgendwas, was Menschen sofort anzieht. Man sieht relativ viele und kräftige Farben und die Bilder schaffen sich einen ganz anderen Raum.
Und wenn ich mir vorstelle, die wären jetzt eher in schwarz-weiß oder in gedämpften Farben gehalten, dann würde mir eine Dimension, irgendwas würde mir fehlen, was den Bildern auch eine andere Wendung gibt.
Verena Feldbausch: Ja, auf jeden Fall. Kommen wir jetzt aber zu den Aquarellen und Zeichnungen mal zu sprechen. Die sind ja kleinere Formate, meistens auf Papier, mit Bleistift, Tusche, Kreide, Filzstift und so.
Das sind oft Personengruppen oder Einzelpersonen. Sieht auch für mich manchmal aus wie so Ferienschnappschüsse irgendwie. Sind das auch welche? Wir können ja mal ein bisschen rumlaufen.
Jetzt dieses hier, da sind zwei Personen und die rechte Person hat ein Ringelt-T-Shirt an.
Also die Bilder sind meistens nach Ferienschnappschüssen entstanden. Entweder finde ich die über Freunde, Verwandte, Bekannte, die werden mir zugeschickt. Man fährt zusammen in Urlaub und tauscht Bilder aus. Manche mache ich dann.
Und dann habe ich auch eine Zeit lang, vor fünf bis sieben Jahren, angefangen, gezielt in Archiven nach alten Fotos zu suchen, teilweise auch über Flohmärkte, wo man alte Fotosammlungen kaufen kann. Das finde ich unheimlich spannend, weil die eine ganz andere Bildsprache haben.
Das sind oft Schwarz-Weiß-Fotos oder so leicht sepiafarbene, die dann auch eine ganz andere Qualität haben. Und die setze ich dann teilweise um, manchmal auch nur, indem ich sie abzeichne oder indem ich sie wirklich nur als Vorlage nehme, um daraus eine Zeichnung oder ein Aquarell zu machen.
Und ja, dieses Ringelshirt ist tatsächlich eines, was ich glaube ich selber mal angehabt habe vor 100 Jahren. Das ist jetzt nicht direkt ein Foto von mir, aber ich habe irgendwo so ein Ringelshirt im Kopf gehabt und habe das dann einfach mal reingemalt.
Verena Feldbausch: Das ist ja witzig, ja.
Armin Rohr: Ja, das sind so Sachen, die einem so einfallen. Und diese Personengruppen sind auch oft so ein bisschen eine Reminiszenz an meine Kindheit, an meine Jugend, wo man halt mit mehreren Leuten unterwegs war.
Und das hat sich dann auch übertragen auf diese Tatortbilder, wo ja auch Menschengruppen eine Rolle spielen. Das ist so ein roter Faden, der sich da durchzieht, auch in den großen Bildern.
Über die Verbindung von Techniken
Und bei den Aquarellen ist es ja so, dass ich da auch viel mit Zufall arbeite, wie gesagt. Das ist ja eine Technik, wo man nicht alles kontrollieren kann. Und das finde ich auch spannend, weil es dann oft so eine Leichtigkeit hat, die ich in den großen Bildern nicht immer habe.
Die großen Bilder sind ja oft so eine wuchtige Geschichte, die haben eine ganz andere Präsenz. Und die Aquarelle und Zeichnungen sind dann so ein bisschen wie ein Gegenpol dazu, wo ich dann auch mal verschnaufen kann, wo ich dann auch mal was anderes machen kann.
Verena Feldbausch: Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Und ich sehe hier auch, dass die Zeichnungen und Aquarelle oft so eine gewisse Melancholie haben, finde ich. Also sie wirken auf mich nicht so bunt und fröhlich wie die großen Bilder.
Ist das Absicht oder ist das einfach so, weil die Technik das mit sich bringt?
Armin Rohr: Ich glaube, das hat viel mit der Technik zu tun. Aquarell ist ja oft so eine reduzierte Geschichte, auch wenn ich da teilweise kräftige Farben benutze. Aber es bleibt immer so eine gewisse Transparenz, eine Leichtigkeit.
Und diese Melancholie, die du ansprichst, die kommt wahrscheinlich auch daher, dass ich oft mit diesen alten Fotos arbeite oder mit Erinnerungen. Das sind ja oft Momente, die vergangen sind, die man nicht mehr zurückholen kann. Und das schwingt dann da mit rein.
Aber es ist nicht unbedingt Absicht, dass es melancholisch wird. Es ist eher so ein Nebeneffekt, der sich ergibt, weil ich mich mit diesen Themen auseinandersetze, mit Vergänglichkeit, mit Erinnerungen.
Verena Feldbausch: Ja, das finde ich sehr schön gesagt. Und wie gehst du jetzt weiter vor? Also hast du schon Pläne für neue Arbeiten oder machst du erstmal eine Pause nach dieser großen Ausstellung?
Armin Rohr: Also eine Pause mache ich auf jeden Fall erstmal. Ich glaube, das ist auch nötig nach so einem intensiven Jahr. Aber ich habe schon ein paar Ideen im Kopf, die ich mir notiert habe.
Ich möchte auf jeden Fall weiter mit den großen Formaten arbeiten, aber vielleicht auch mal wieder mehr in die ungegenständliche Richtung gehen. Das habe ich ja schon lange nicht mehr gemacht, und ich habe das Gefühl, dass da noch was liegt, was ich ausprobieren möchte.
Und dann schaue ich mal, was sich ergibt. Ich lasse mich da auch viel treiben, wie gesagt, ich meändere halt so durch die Welt und durch meine Arbeit. Mal sehen, wohin mich das führt.
Verena Feldbausch: Das klingt super spannend. Ich bin gespannt, was da noch kommt. Vielen Dank, Armin, dass du dir die Zeit genommen hast für dieses Gespräch und uns durch deine Ausstellung geführt hast.
Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und Freude an deiner Arbeit. Und euch, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, danke ich auch, dass ihr wieder eingeschaltet habt bei art talk.
Schaut gerne auf meinem Blog vorbei, da gibt es die Fotos zu den besprochenen Werken. Und besucht die Ausstellung in der Städtischen Galerie Neunkirchen, sie läuft noch bis Ende Mai 2025. Bis zum nächsten Mal, eure Verena Feldbausch.
Armin Rohr: Vielen Dank, Verena, hat Spaß gemacht.
Verena Feldbausch: Danke, Armin.
—ENDE—