Titelbild Podcast zu Richard Serra

Der kürzlich verstorbene amerikanische Bildhauer Richard Serra (1939-2024) ist der wichtigste Stahlarbeiter unter den Künstlern des 20. Jahrhunderts. Seine Kennzeichen: tonnenschwere Skulpturen aus rostendem Stahl. Für mehr als 100 öffentliche Orte hat er Skulpturen geschaffen, von Philadelphia und St. Louis über São Paulo bis nach Dillingen im Saarland, Deutschland (“Viewpoint“ von 2006). Richard Serra hatte eine ganz besondere Beziehung zum Saarland, denn seit 1986 bezog er das Material für seine Kunstwerke von der Dillinger Hütte. Die Ausstellung im Dillinger Kunstverein zeigt schwarz-weiß Fotos von Dirk Reinartz, ein Modell von Viewpoint sowie zwei Filme über den Künstler Richard Serra. Sie ist bis zum 14. Juli 2024 zu sehen.

Foto Credits:

Foto 1, 11, 12, 13,, 20 Dirk Reinartz Estate / Deutsche Fotothek und Stiftung F.C. Gundlach
Fotos 14, 15: SHS – Stahl-Holding-Saar
Foto 16: Dillinger Kunstverein
Foto 17, 18: Sammlung Scheidt
Alle anderen Fotos: Verena Feldbausch

Künstlerportrait: Richard Serra


Richard Serra, geboren am 2. November 1938 in San Francisco, Kalifornien, gilt als einer der bedeutendsten Bildhauer der zeitgenössischen Kunst. Mit seinen monumentalen Stahlskulpturen hat er die Grenzen der Bildhauerei neu definiert und die Wahrnehmung von Raum und Material nachhaltig beeinflusst. Serra starb am 26. März 2024 in Orient, New York, und hinterließ ein beeindruckendes Erbe, das sowohl die Kunstwelt als auch öffentliche Räume prägte.

Leben und Werdegang

Serra wuchs als Sohn eines spanischen Vaters und einer russisch-jüdischen Mutter in einer Arbeiterfamilie auf. Schon früh kam er durch die Arbeit seines Vaters in einer Werft mit Stahl in Berührung – ein Material, das später sein Markenzeichen werden sollte. Er studierte zunächst Literatur an der University of California in Berkeley, bevor er sich der Kunst zuwandte und an der Yale University bei Josef Albers und anderen Größen der Moderne seine Ausbildung abschloss.
In den 1960er Jahren begann Serra, sich von der Malerei abzuwenden und experimentierte mit unkonventionellen Materialien wie Gummi, Blei und schließlich Stahl. Inspiriert von Minimalismus und Prozesskunst entwickelte er eine radikale Formensprache, die sich durch ihre physische Präsenz und ihre Interaktion mit dem Raum auszeichnet.

Werk und Stil

Richard Serra ist vor allem für seine großformatigen Stahlskulpturen bekannt, die oft Tonnen wiegen und in ihrer schieren Größe und Wucht den Betrachter überwältigen. Werke wie Tilted Arc (1981), eine umstrittene Installation im öffentlichen Raum in New York, oder die geschwungenen, labyrinthartigen Strukturen der Serie Torqued Ellipses zeigen seine Fähigkeit, Raum nicht nur zu gestalten, sondern ihn erlebbar zu machen. Serra selbst beschrieb seine Arbeiten als Einladung, sich physisch durch den Raum zu bewegen und ihn mit allen Sinnen zu erfahren.
Sein Umgang mit Stahl ist einzigartig: Die rohe, oft rostige Oberfläche der Materialien verleiht seinen Werken eine industrielle Ästhetik, während ihre präzise Konstruktion eine fast architektonische Qualität entfaltet. Serra arbeitete häufig mit Werften und Ingenieuren zusammen, um die Grenzen des technisch Machbaren auszuloten.

Kontroversen und Einfluss

Serras Kunst war nicht ohne Streit. Tilted Arc, eine 36 Meter lange Stahlwand, die den Federal Plaza in New York durchschnitt, wurde von Anwohnern und Büroangestellten als störend empfunden und nach jahrelangen Debatten 1989 abgebaut. Diese Episode unterstrich Serras kompromisslose Haltung: Für ihn war die Auseinandersetzung mit seiner Kunst – ob positiv oder negativ – integraler Bestandteil des Erlebnisses.
Dennoch ist sein Einfluss unbestreitbar. Museen wie das MoMA in New York oder das Guggenheim in Bilbao widmeten ihm retrospektive Ausstellungen, und seine Werke sind weltweit in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Serra hat die Bildhauerei als Medium revolutioniert, indem er sie aus der Statik löste und in eine dynamische Beziehung mit ihrer Umgebung brachte.

Persönlichkeit und Vermächtnis

Serra war bekannt für seine direkte, oft unnachgiebige Art – Eigenschaften, die sich auch in seiner Kunst widerspiegeln. Er sah sich selbst weniger als Schöpfer von Objekten, sondern als Gestalter von Erfahrungen. Sein Tod im März 2024 markierte das Ende einer Ära, doch seine Werke bleiben als monumentale Zeugnisse seiner Vision bestehen.

Richard Serra hinterlässt eine Kunstwelt, die durch seine Beiträge reicher und komplexer geworden ist. Seine Skulpturen fordern uns auf, den Raum neu zu denken – als etwas, das nicht nur umgibt, sondern aktiv mit uns interagiert. In ihrer Wucht und Stille sind sie ein Vermächtnis, das noch Generationen überdauern wird.

Weitergehende Informationen

Biografie bei Guggenheim: https://www.guggenheim.org/artwork/artist/richard-serra
MoMA über Serra: https://www.moma.org/artists/5345
Artikel über Tilted Arc: https://www.nytimes.com/1989/03/16/arts/tilted-arc-is-removed-from-federal-plaza.html
Nachruf bei The Guardian: https://www.theguardian.com/artanddesign/2024/mar/27/richard-serra-obituary
Wikipedia (deutsch): https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Serra
Wikipedia (englisch): https://en.wikipedia.org/wiki/Richard_Serra
Artnet Profil: http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/richard-serra/
Situation Kunst Bochum: https://situation-kunst.de/serra
Dillinger Hütte: https://www.dillinger.de/