Véronique Verdet

Wir sprechen mit der französischen Künstlerin Véronique Verdet über ihre aktuelle Ausstellung Fouloscopie, die zurzeit im Museum St. Wendel zu sehen ist.

Véronique Verdet wurde 1967 in Cannes geboren. Sie studierte Plastik und audiovisuelle Kunst an der Hochschule der Bildenden Künste Saar. Von 2004 bis 2006 war sie Meisterschülerin von Christina Kubisch mit dem Schwerpunkt auf audiovisuellen Projekten. Sie lebt und arbeitet in Saarbrücken. Sie schafft Installationen, Sound- und Videoarbeiten und zeichnet auch ganz klassisch auf Papier. Welche Themen sie behandelt, welche Perspektiven sie uns durch ihre Kunst zeigt, wie ihre Künstlerfamilie sie geprägt hat und wie ihre Pläne für die Zukunft aussehen – das erfahrt ihr in diesem Podcast. Viel Spaß dabei!

Photo Credits:

1,2,3,5,6,9,11,12,16 Lukas Ratius
7,8,10,13,14 Verena Feldbausch
15S venja Sämann
4 Joseph Bonnenberger
Cover Bild: © Véronique Verdet

Künstlerportrait Véronique Verdet

Véronique Verdet ist eine französische bildende Künstlerin, die in Saarbrücken lebt und arbeitet. Sie studierte von 2000 bis 2004 an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK Saar) mit dem Schwerpunkt Plastik und audiovisuelle Kunst und schloss ihr Studium mit Auszeichnung ab. Anschließend war sie von 2004 bis 2006 Meisterschülerin bei Prof. Christina Kubisch. Seit 2015 ist sie Mitglied im Saarländischen Künstlerbund.

Künstlerische Praxis

Verdets Arbeiten zeichnen sich durch eine interdisziplinäre Herangehensweise aus, bei der sie verschiedene Medien wie Skulptur, Zeichnung, Video und Installation kombiniert. Ein zentrales Thema in ihrem Werk ist die Auseinandersetzung mit dem Individuum in der Masse sowie die Wahrnehmung von Zugehörigkeit und Vereinzelung. In ihrer Installation „Emportée par la foule“ (2023) zeigte sie 2500 Miniaturfiguren, die einen Menschenstrom bildeten und so gesellschaftliche Zusammenhänge und die Dynamik von Gruppen visualisierten.

Ein weiteres Beispiel ist die Rauminstallation „Peripherie / Grenzwertig“ (2016), die sich mit dem Thema Grenze und deren Wahrnehmung auseinandersetzte. Dabei kombinierte sie Zeichnungen und Soundelemente, um die Flüchtigkeit und Vielschichtigkeit von Grenzerfahrungen zu thematisieren.

Ausstellungen und Projekte

Verdet hat ihre Arbeiten in verschiedenen Ausstellungen und Projekten präsentiert. So war sie 2023 Teil des Projekts „Kollektiv Bremm“, das sich mit dem Grenzraum zwischen Deutschland und Frankreich beschäftigte. Im Rahmen dieses Projekts widmete sie sich dem Gedenken an die Gefangenen des Gestapo-Lagers und setzte sich mit der Geschichte und Bedeutung dieses Ortes auseinander.

Zudem war sie 2022 Mitinitiatorin des „Hyper Süpermarket“ in der Europa-Galerie Saarbrücken, einem temporären Kunstverkaufsraum, in dem Werke von 23 Künstlerinnen und Künstlern angeboten wurden. Dieser ungewöhnliche Kunstmarkt ermöglichte es den Besuchern, Kunstwerke direkt zu erwerben und förderte so den Dialog zwischen Kunstschaffenden und Publikum.

Vom Mai bis Juli 2025 zeigt Véronique Verdet ihre Kunst in der Einzel-Ausstellung „Fouloscopie“ im Museum St. Wendel. Auch hier geht um die Themen Menschenmengen, Isolation, Menge und Individuum, Bewegungen, Begegnungen und Trennungen.

Fazit

Véronique Verdet ist eine vielseitige Künstlerin, die mit ihren Arbeiten gesellschaftliche Themen aufgreift und diese in unterschiedlichen Medien und Formaten reflektiert. Durch ihre interdisziplinäre Praxis und ihr Engagement in verschiedenen Projekten trägt sie aktiv zur Kunstszene im Saarland und darüber hinaus bei.

Lest das gesamte Interview mit Véronique Verdet

Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux. Wir treffen Kuratorinnen und Künstlerinnen dort, wo sie gerade ausstellen. Mit uns entdeckt ihr zeitgenössische Kunst und außergewöhnliche Kunsträume in unserer Region. Werdet Teil von Galeriegesprächen, Ausstellungseröffnungen und Finissagen. art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von art talk. Heute treffen wir die französische Künstlerin Véronique Verdet, mit der wir über ihre aktuelle Ausstellung “Fouloscopie” sprechen, die derzeit im Museum St. Wendel zu sehen ist. Ich freue mich sehr, in die ganz eigene Welt von Véronique Verdets Kunst einzutauchen. Wie immer findet ihr die Abbildungen der besprochenen Arbeiten in meinem Blog. Ich wünsche euch viel Spaß beim Zuhören. Eure Verena Feldbausch.

Verena Feldbausch: Liebe Véronique, hallo und herzlich willkommen bei art talk.

Véronique Verdet: Hallo.

Künstlerische Motivation und Themenfindung

Verena Feldbausch: Was treibt dich an, künstlerisch tätig zu sein? Wie findest du deine Themen?

Véronique Verdet: Oh, das ist eine sehr weite Frage. Mein Thema ist eigentlich schon seit einigen Jahren die Massen. Menschenmassen, Bewegung, Individualität, Isolation, also alles, was uns Menschen betrifft. Das ist jetzt, ich würde sagen, bestimmt schon zehn Jahre eigentlich mein Hauptthema. Wie ich darauf gekommen bin, kann ich dir jetzt gar nicht mehr so sagen. Ich glaube, das war ein allgemeines Nachdenken über Gesellschaft. Weniger aus der Literatur oder so, sondern mehr, ich glaube, mehr aus der Politik eigentlich, aus dem alltäglichen Geschehen.

Der kreative Prozess hinter “Fouloscopie”

Verena Feldbausch: Wie sieht denn dein kreativer Prozess aus, wenn du an einer Ausstellung wie dieser Ausstellung “Fouloscopie” arbeitest?

Véronique Verdet: Also gerade bei dieser Ausstellung hier, wo ganz früh klar war, dass ich sehr viel Raum zur Verfügung bekomme, war es mir wichtig, ein Ganzes zu bilden. Also ich hätte auch die Möglichkeit gehabt, eben weil ich so viel Platz habe, verschiedene Werke oder aus diversen Zeiten oder so zu zeigen. Aber mir war es wichtig, ein Ganzes zu bilden. Und ich wollte also einerseits diese Hauptarbeit, das ist also diese Rolle, diese Zeichnung, die ist zehn Meter lang. Und ja, das, was mich beschäftigt, ist wirklich da drin zu sehen. Also das ist Individualität, in dem jeder Punkt steht für sich. Das sind einfach Milliarden oder Millionen oder ich weiß nicht wie viele Punkte. Und sie bilden sich zusammen, sie treffen auseinander, sie wandern, sie bewegen sich. Ja, das ist also, damit habe ich angefangen für St. Wendel. Weil das war mir klar, ich wollte was Großes zeigen aus diesem Zyklus der Tusche-Zeichnungen. Also diese Rolle, die zeigt wirklich, was mir wichtig ist. Diese organisch, kann man sagen, weil die Rolle entwickelt sich, oder diese Zeichnung, Zeichnung entwickelt sich immer so ein bisschen wie Lebewesen. Also das fließt. Und wobei ich hier tatsächlich etwas mehr Muster gebildet habe als sonst. Also oft habe ich einfach laufen lassen sozusagen. Aber hier war es mir auch wichtig, mehr Muster zu bilden. Das kann man sehen, wenn man ganz nah dran geht, sieht man die Konstruktionen, engere, dichtere Kugeln oder dichtere Masse. Oder manche bilden sogar wie so blumenartige Muster.

Verena Feldbausch: Diese Zeichnung, genau. Also das war der Ausgangspunkt, weil ich habe zuerst mal auch an eine Landschaft eigentlich gedacht. Die heißt “Fouloscopie”, diese Zeichnung. Und da kommen wir eigentlich gerade jetzt auch zu dem Titel der Ausstellung zu sprechen. “Fouloscopie”. “Fouloscopie” heißt ja die Menschenmenge. Wieso hast du diesen Titel gewählt?

Véronique Verdet: “Fouloscopie”, da bin ich auch vor einigen Jahren darauf gestoßen, auf diesen Begriff, nachdem ich eine Sendung auf France Culture gehört hatte, mit dem Erfinder dieses Begriffs. Der heißt Musaïd. Das ist ein Wissenschaftler, Soziologe und so weiter. Und der untersucht insbesondere Massenphänomene. Wie benimmt sich die Masse zum Beispiel in Gefahrssituationen, welche Bewegungen entstehen oder wie benehmen sich Gruppen untereinander, miteinander. Und da hatte ich mich schon länger mit eben solchen Themen beschäftigt. Und ich habe ihn dann angeschrieben und gefragt, ob ich das Wort benutzen dürfte für einen neuen Zyklus. Damals habe ich nicht gewusst, dass ich ja zig Jahre später immer noch daran arbeiten würde. Und er war sehr, sehr nett. Also er ist ein Franzose, aber damals arbeitete er im Max-Planck-Institut in Berlin. Und ja, er hat mir also offiziell erlaubt, dieses Wort zu benutzen für meine Arbeit. Und das ist, das passt einfach für mich perfekt, weil es ist wirklich eine Untersuchung der Masse. Menschen, Masse, Menschenmengen. Und ich variiere das, wie man dann eben auch sieht hier mit den Figuren in 3D sozusagen dann die Mengen darstellen.

Gesellschaftliche Zusammenhänge und individuelle Perspektive

Verena Feldbausch: Und genau. Du stellst in deiner künstlerischen Praxis den Menschen in den Mittelpunkt. Welche Zusammenhänge in der Gesellschaft willst du damit herausstellen?

Véronique Verdet: Viele. Also einerseits eben diese Zusammengehörigkeit. Also wir sind ja alle gleich auf dem ersten Blick. Das ist mir immer ganz wichtig. Aber eben nur auf dem ersten Blick. Weil genau wie bei den Punkten ist das hier bei der Arbeit, bei der ich hier diese Figuren modelliert habe, sind sie auf dem ersten Blick auch homogen. Aber wenn ich näher hingehe und hinschaue, steht jede einzelne für sich. Also wir haben hier sowohl individuelle, aber auch eben zusammen. Und trotzdem driften da auch welche auseinander oder treffen zusammen oder so. Das ist für mich ein Sinnbild von uns Menschen. Also manchmal eben zusammen, manchmal nicht auf den ersten Blick gleich, aber nur auf den ersten. Das ist wie bei den Punkten eigentlich.

Verena Feldbausch: Ist der Titel für deine Installation hier in St. Wendel auch “Fouloscopie” oder ist das ein anderer Titel?

Véronique Verdet: Nein, die Arbeit hier mit den Figuren heißt “Emporté par la foule”.

Verena Feldbausch: Eine kleine Anmerkung: Emporté par la foule” bedeutet “Von der Menge mitgerissen”.

Véronique Verdet: Zu dieser Arbeit gehört ja die Installation “Emporté par la foule”.

Verena Feldbausch: Du hast ja auch wirklich thematisch richtig gut die Ausstellung zusammengebaut. Und daneben sind noch Zeichnungen zu sehen. Das ist auch wahrscheinlich Tusche auf Papier. Und da sind aber farbige Akzente auch drauf. Also die sehen auch fast wie Neonfarben aus. Diese, sind die mit dem Pinsel gemalt?

Véronique Verdet: Ja.

Verena Feldbausch: Das ist der eine Teil und dem anderen sind farbige Fähnchen.

Véronique Verdet: Genau. Also die Zeichnungen mit dem orangenen Farb-Akzenten, das habe ich extra für die Ausstellung jetzt hier gemacht. Die Farbe ist Tusche und ist mit einer Geste. Da wollte ich ein bisschen diese strenge schwarz-weiß doch unterbrechen. Weil diese Arbeit, also das Zeichnen der Fouloscopie, egal ob auf Rolle oder auf kleinere Formate, ist eine sehr genaue, pingelige, ein bisschen meditativ kann ja auch sein, Arbeit, die aber sehr viel Ruhe bedarf und die auch sehr viel Spaß macht eben in diese Ruhe und in diese Zeit. Da geht ja enorm viel Zeit drauf. Und das wollte ich brechen, auch für mich brechen, indem ich mit einer Geste eine Farbe so hineinbringe. Und dann habe ich drumherum meine Punkte platziert.

Verena Feldbausch: Also du hast mit der Geste angefangen und hast dann…

Véronique Verdet: Ja. Zuerst ein kleiner Versuch und dann habe ich gemerkt, oh ja, das gefällt mir, das gefällt mir einfach. Auch diese… Das hat was Lebendiges. Also für mich hat das dann direkt was Lebendiges, diese starke Geste. Und das fand ich ganz interessant. Und daraus ist eben dieser 10-teilige Zyklus entstanden. Und genau, und gegenüber haben wir Objektrahmen, relativ tief, ich glaube 5 cm. Und das sind also auch aus der Serie Fouloscopie. Und das sind für mich, weil manchmal spreche ich darüber auch von fiktiver Kartographie, würde ich sagen. Weil, wie du auch vorhin sagtest, man kann auch Landschaften drin sehen. Und die Idee hatte ich dann auch. Und dann dachte ich, wenn ich mit Fähnchen, also dreidimensionale Markierungsfähnchen arbeite, dann unterstütze ich diese Idee einer Karte, einer Landkarte. Kann aber auch ganz andere Assoziationen wecken. Also manche sehen dann direkt was Militärisches. Was nicht mein erster Gedanke war. Mein Gedanke war mehr Territorien, Grenzen, Karten. Aber auch interessant.

Gesellschaftliche Botschaften und Freiräume

Verena Feldbausch: Welche Botschaft oder welches Gefühl willst du den Besucherinnen hier in der Ausstellung in St. Wendel mitgeben? Oder ist dein Anliegen eher, den Betrachterinnen mit deiner Kunst gedankliche Freiräume zu öffnen, um gesellschaftliche oder politische Realitäten auch aus einem anderen Blickwinkel zu sehen?

Véronique Verdet: Eher so. Also das ist mir ganz wichtig. Und ich freue mich immer sehr, wenn Menschen mir dann erzählen, was sie sehen. Ich liefere meins ab dazu. Das ist auch diese Art, zum Beispiel diese zehn Meter lange Rolle zu machen, die über Monate natürlich Zeit gebraucht hat, ist auch irgendwo meine Art, mit all dem draußen fertig zu werden. Also das ist, da stecken Millionen von Gedanken von mir, aber sie sind meine. Und ich freue mich sehr, wenn Menschen eben, ja, selber irgendwas sehen und was ganz anderes als ich oder interpretieren und so. Aber ich möchte nicht so viel selber erklären. Ich habe es gern, wenn die Leute sich selber, wie du sagtest, Freiraum, ist mir sehr wichtig.

Künstlerische Einflüsse und Zukunftspläne

Verena Feldbausch: Gibt es Künstlerinnen oder Künstler, die dich in deiner Arbeit inspiriert haben oder Produktionen, die dich besonders prägen?

Véronique Verdet: Inspiriert weiß ich nicht, aber es gibt natürlich viele Künstler, die ich toll finde, Künstlerinnen. Als ich Kind war, hatte ich eine Offenbarung: Giacometti. Giacometti habe ich als Kind entdeckt, weil ich bin in Südfrankreich aufgewachsen und da haben wir das Riesenglück, die Fondation Maeght in der Nähe. Und tatsächlich, meine Mutter hat uns regelmäßig, meine Schwester und mich regelmäßig ins Museum oder in die Fondation und da sind eben diese unfassbar tolle Giacometti im Hof. Die werde ich nicht vergessen. Weißt du, das ist wie, also das hat mich als Kind wirklich, da sind auch Miros im Garten, die sind wunderschön. Also der Mondvogel ist da, den habe ich auch geliebt. Aber nicht so wie Giacometti. Und ich glaube, das ist bei mir wirklich hängen geblieben. Ich will auf keinen Fall mich vergleichen, ja. Aber weißt du, dieses Reduzieren, Reduzieren, Reduzieren und möglichst wenig. Das war meine erste große künstlerische Liebe. Und dann gibt es so viele. Und ich bin da auch, genauso wie ich ganz viele unterschiedliche Medien benutze, mag ich sehr unterschiedliche Leute, glaube ich. Das ist mir auch, da möchte ich mich nicht auf eine Schule festlegen. Und momentan, ich mag so gern der Celeste Boursier-Mougenot. Ich habe es nachgeschaut. Der Künstler heißt Celeste Boursier-Mougenot. Der war mal in Centre Pompidou in Metz und er ist jetzt in Paris, hat er wieder eine riesige Show mit dieser Arbeit, die wunderschön sind. Es sind so riesige Wasserbecken und da sind die Teller, die sich treffen. Das ist in der Bourse de Commerce von dem Pinault. Das ist wunderschön, dieses blaue Wasserbecken und weiße Keramik und allen. Die schwimmen da raus und ich glaube, die machen auch Geräusche. Er hat sie mal im Kleinen gezeigt, in Metz. Und das war, im Kleinen war es schon, ich bin stundenlang da gesessen. Und manche Leute finden das so Gimmick-Art, habe ich heute gelesen noch. Ich dachte so, ne, das ist mir zu streng. Also das finde ich auch nicht okay, das als Gimmick-Art herabzusetzen, weil ich finde, er macht eben mit so wenig Mittel. Es ist Wasser und Keramik – fertig. Und dann entstehen da auch und es bilden sich Gruppen und diese feinen Geräusche. Traumhaft. Wirklich wunderbar.

Verena Feldbausch: Was sind deine zukünftigen Projekte oder Themen, die du in deiner künstlerischen Arbeit noch erforschen möchtest?

Véronique Verdet: Tatsächlich habe ich Blut geleckt mit dem Video. Weil dieses Mal war es das erste Mal, dass ich das alles alleine gemacht habe. Also weil zum Beispiel bei den Kugeln hatte ich auch Hilfe bei der Montage. Und ich glaube, die nächste Zeit werde ich damit zusammen mit meiner eigenen Komposition schneiden, die wir hier in St. Wendel haben, ist ohne Ton. Aber ich glaube, ich werde ein bisschen in diese Richtung gehen und das Video selber vertonen. Da habe ich richtig Lust. Ich habe sowieso noch mal Lust, Sound zu machen. Weil das bedarf aber auch viel Zeit.

Also, wenn ich Sound mache, mache ich nur Sound. Weil das ist sehr, da musst du sehr konzentriert und so. Aber es macht Spaß. Also, Sound machen mache ich sehr gerne. Aber konkret ist erstmal ein Bundesrat. Und zwar am 3. Juli eröffnet im Bundesrat eine Ausstellung mit Armin Rohr, Malgorzata Sztremer und mir. Weil dieses Jahr hat ja die Saarland, also unsere Ministerpräsidentin Frau Rehlinger ist die Präsidentin des Bundesrates. Und jedes Land organisiert eine Ausstellung. Und sie wollte den Schwerpunkt auf das Weimarer Dreieck setzen, sprich Deutschland, Polen, Frankreich. Und deshalb hat Andreas Bayer uns drei angefragt und wir stellen also zusammen aus. Ich bin sehr gespannt.

Und nächstes Jahr noch malerweise dieses Projekt in der Schweiz. Also das war eine Ausschreibung für Künstler aus Deutschland und der Schweiz, die irgendwie einen Bezug zum Bodensee haben. Und dadurch, dass meine deutschen Großeltern am Bodensee gelebt haben, habe ich einen starken Bezug zu dieser Gegend. Und das ist eine Gegend, wo auch sehr viele Künstler gelebt haben während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Also sprich, da ist schon viel Kunstaffinität dort. Dieser Verein will jetzt auch am Deutschen und Schweizer Ufer Arbeiten in freiem, Plastiken präsentieren. Da werde ich sehr wahrscheinlich auch mit Sound arbeiten. Aber momentan zeigt sich die Umsetzung als schwieriger als geplant. Und deshalb hoffe ich, dass es klappt.

Verena Feldbausch: Dann wünsche ich dir viel Glück dabei und ich bin sehr gespannt. Aber sag mal, dann habe ich dich vielleicht falsch vorgestellt. Du hast deutsche Großeltern. Also bist du Deutsch-Französin?

Véronique Verdet: Ja, also ich bin in Frankreich aufgewachsen. Meine Mutter ist Deutsche, meine Großeltern waren Deutsche. Und sie waren die Künstlerseite der Familie. Und meine französische Seite sind die Juristen und die Deutschen eben die Künstler. Und deshalb habe ich auch schon immer Kontakt zu Kunst und Künstlerdasein. Und Schwierigkeiten damit. Das ist in der Familie leider sehr bekannt. Aber momentan habe ich eine Ausstellung mit den Großeltern zusammen im Kunstmuseum Singen am Bodensee. Das ist eine richtig volle Werkschau von beiden Großeltern. Und ich habe einen kleinen Raum zur Verfügung bekommen als Gegenwart und Rast. Und da bin ich sehr glücklich. Ich war sehr skeptisch. Mein Großvater hieß Walter Herzger. Und der war Bauhausschüler. Der hat im Bauhaus studiert. Bei Klee zum Beispiel. Und meine Großmutter hieß Gertraud von Harlessem und sie war Burg Giebichenstein-Studentin gewesen. Und sie wohnten damals in Bremen. Und wegen des Krieges ist sie dann zum Bodensee hingezogen, weil dort lebten bereits Künstler und Künstlerinnen auf der Höri. Und dann sind sie nach dem Krieg da geblieben.

Verena Feldbausch: Und wie heißt die Ausstellung nochmal? Dass wir das kurz auch noch erinnern.

Véronique Verdet: Also die Ausstellung von den Großeltern heißt “Die Kunst des Einfachen” und mein Part heißt “Massen, Grenzen und Territorien”. Im Kunstmuseum Singen bis Ende August mein Part und die Großeltern etwas länger. Und vor allem, es hat mich sehr, sehr gefreut, weil meine Großmutter, das ist klassische, tragische Geschichte. Ihr Mann wanted nicht, dass sie auch Kunst macht. Wollte einfach nicht. Und sie dachte, er sei sowieso viel besser. Und eine Zeit lang hat sie für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt. Und konnte nicht mehr arbeiten. Und er hat nicht mehr künstlerisch gearbeitet. Und irgendwann, als sich die Lage gebessert war, war kurz, er war eine Zeit lang Prof in Karlsruhe. Dann ging es ein bisschen besser. Aber sie hat halt zig Jahre nicht weiter arbeiten können.

Verena Feldbausch: Nicht künstlerisch gearbeitet, ja. Sondern hat eigentlich für die Familie gesorgt. Und Familie finanziert.

Véronique Verdet: Unglaublich. Und sie war nicht die Einzige. Da war also, wie gesagt, auf der Höri lebten zum Beispiel Dix lebte auch da und Erich Heckel. Also eine große Künstlerkolonie. Und da war auch ein anderer, ich weiß den Namen gerade nicht. Und das war das Gleiche. Die Frau war Künstlerin, der Mann auch. Aber sie ist zusammen mit meiner Großmutter, sind sie jeden Tag in die Schweiz in die Nähmaschinenfabrik und haben am Fließband gearbeitet oder in die Konservenfabrik oder was weiß ich.

Verena Feldbausch: Zum Glück ändert sich das ein bisschen. Und eben sehr schön, dass diese Ausstellung mit den Großeltern zusammen auch ist. Also das finde ich ja eine tolle Sache auch.

Véronique Verdet: So vor Jahren in diesem kleinen Hermann-Hesse-Museum. Das war auch eine schöne Sache. Und zwar die Großeltern hatten, während des Dritten Reiches, waren sie erstmal zusammen nach Italien geflüchtet sozusagen. Und haben dort gearbeitet zusammen. Da hat er noch keine Probleme damit, der Großvater. Und sie hatten gemeinsam geführte Tagebücher. Mit Aquarellen, Zeichnungen, Texten. Wunderschön. Wirklich wunderschön, dass in bestimmt vier Bänder existieren. Und daraus wurde die Ausstellung gemacht. Die Kuratorin hatte damals so, wie sagt man das, Reproduktionen. Und ich hatte da zwei kleine Räume für meine Arbeit. Und das war auch schon spannend. Aber dieses Mal ist das was anderes. Weil dieses Mal wurde eben die Arbeit meiner Großmutter sehr gewürdigt. Und sehr schön gezeigt.

Verena Feldbausch: Zum Glück ist die auch noch so erhalten. Also ich meine, während des Krieges wurde viel zerstört. Und es wurde nicht richtig konserviert oder so. Ja, es ist immer ein Glück, wenn das doch erhalten wird. Vielen Dank, Véronique. Sehr schönes Gespräch.

Véronique Verdet: Ich hab zu danken.

Verena Feldbausch: Das war ein Einblick in die faszinierende Welt von Véronique Verdets Kunst. Wir haben nicht nur über die Ausstellung “Fouloscopie” im Museum Sankt Wendel gesprochen, sondern ich fand es auch sehr spannend zu erfahren, wie sie die Welt sieht, welche Perspektiven sie uns durch ihre Kunst zeigt, aus welcher Künstlerfamilie sie stammt und was ihre Zukunftspläne sind. Es lohnt sich auf jeden Fall der Weg ins Museum nach Sankt Wendel. Die Ausstellung von Véronique ist noch bis zum 6. Juli zu sehen.

Vielen Dank, dass ihr heute eingeschaltet habt. Ich freue mich auf die nächste Folge von art talk SaarLorLux. Bis dahin, eure Verena Feldbausch. Dir hat art talk gefallen? Dann hinterlasse 5 Sterne und empfehle uns deinen Freund*innen. Mehr Infos zu dem Podcast findest du in den Shownotes und in unserem Blog. Sei wieder dabei, wenn es heißt: Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux.

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